Resilienz stärken

Innere Kraftquellen in Zeiten der Krebserkrankung

by Martina Heinz

Eine Krebsdiagnose verändert alles. Von einem Tag auf den anderen steht deine Welt still, Zukunftspläne geraten ins Wanken, Angst und Unsicherheit nehmen Raum ein. Sowohl für dich als Erkrankte/r als auch für deine Angehörigen und Freunde beginnt eine Zeit grosser emotionaler Belastung. In solchen Zeiten kann dir (d)ein innerer Schutzfaktor helfen, den kommenden Herausforderungen besser zu begegnen: Resilienz.

Was bedeutet Resilienz?

Resilienz ist die Kraft Stürme des Lebens zu überstehen, dich selbst in unruhigen Zeiten tragen zu können und aus dem erlebten neue Energie zu schöpfen.


Oft wird Resilienz auch als das "seelische Immunsystem" bezeichnet. Der Begriff zieht eine bildhafte Parallele zum körperlichen Immunsystem.


  • Immunsystem des Körpers: Es schützt uns vor Krankheiten, Viren und Bakterien. Es sorgt dafür, dass wir Belastungen von aussen nicht schutzlos ausgeliedert sind, sondern uns erholen und gesund bleiben können.
  • Resilienz als psychisches Immunsystem: Sie beschreibt die Fähigkeit, mit seelischen Belastungen, Stress, Krisen oder traumatischen Erfahrungen umzugehen, ohne daran dauerhaft zu zerbrechen. So wie das körperliche Immunsystem Krankheitserreger "abwehrt", hilft Resilienz dabei, psychische Belastungsfaktoren abzufedern und wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Warum dieser Vergleich passt:

  • Beide Systeme sind Schutzmechanismen, das eine auf biologischer, das andere auf psychischer Ebene.
  • Beide sind trainierbar: Man kann sein Immunsystem durch Ernährung, Bewegung, etc. stärken. Resilienz lässt sich durch Achtsamkeit, soziale Unterstützung, Stressbewältigungstechniken und positives Denken fördern.
  • Beide reagieren individuell: Manche Menschen sind körperlich anfälliger, andere psychisch robuster - abhängig von genetischen Faktoren, Erfahrungen und Lebensstil.

Deshalb spricht man von Resilienz als "seelisches Immunsystem": Es ist unsere innere Widerstandskraft, die uns hilft, psychisch gesund zu bleiben, auch wenn das Leben schwierig wird.


Resilienz heisst dabei nicht, stark sein zu müssen oder Gefühle zu unterdrücken. Im Gegenteil: Resiliente Menschen erlauben sich zu fühlen, auch Angst, Wut oder Trauer. Doch sie schaffen es, nach einem Tiefpunkt wieder aufzustehen, neue Perspektiven zu finden und sich dem Leben erneut zuzuwenden.


Gerade in der Zeit einer Krebserkrankung, die viele als Kontrollverlust erleben, kann Resilienz helfen, sich innerlich wieder ein Stück Handlungsspielraum zu erobern.


Die gute Nachricht: Resilienz ist kein festes Persönlichkeitsmerkmal, sondern eine Fähigkeit, die sich entwickeln und stärken lässt - Schritt für Schritt.

Drei konkrete Handlungsimpulse für mehr Selbstresilienz


1) Lenke deinen Fokus: was liegt in meiner Hand?

Wenn eine Diagnose das Leben erschüttert, dominiert oft das Gefühl des Ausgeliedertseins. Doch selbst in schwierigen Situationen gibt es Bereiche, in denen du Entscheidungen treffen kannst. Frage dich:


  • Welche Informationen will ich (nicht) wissen?
  • Wer tut mir gut?
  • Welche täglichen Routinen helfen mir?


Impuls: Stelle dir regelmässig die Frage: Was liegt heute in meiner Hand? Notiere dir drei kleine Dinge, über die du heute selbst bestimmen kannst. Das kann ein Spaziergang sein, ein gutes Gespräch oder einfach die Wahl, was du essen möchtest. Dieser Fokus auf das Machbare stärkt dein Gefühl der Selbstwirksamkeit, ein zentraler Baustein deiner Resilienz.


2) Benenne deine Gefühle - Entlastung durch Worte

Gefühle zu benennen bedeutet nicht, dich im Leid zu verlieren. Im Gegenteil: Wer Worte für das findet, was innerlich tobt, entlastet seine Seelenqual. Suche dir jemanden, der dir auch einfach nur zuhört. Sprich die Dinge aus, die dich oft schon lange bewegen. Hier ist auch manchmal jemand Fremdes gefragt. Jemand, dem du offen und ehrlich alles erzählen kannst, ohne das Gefühl zu haben, den anderen noch mehr zu belasten.


Studien zeigen: Allein das Aussprechen oder Aufschreiben belastender Gefühle kann Stress reduzieren und Klarheit schaffen.


Impuls: Nimm dir regelmässig ein paar Minuten Zeit, um deine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben, ohne Bewertung, ohne Anspruch auf "richtig". Vielleicht abends vor dem Schlafengehen. Oder sprich mit einer vertrauten Person über das, was dich beschäftigt. Wenn Worte fehlen, können auch Bilder oder Musik Ausdrucksmöglichkeiten sein.


3) Pflege Freundschaften und Begegnungen - du bist nicht allein

Isolation ist ein häufiger Begleiter schwerer Erkrankungen. Gleichzeitig ist soziale Verbundenheit einer der stärksten Schutzfaktoren für unsere psychische Gesundheit. Resilienz entsteht oft in Beziehung, im ehrlichen, mitfühlenden Kontakt mit anderen.


Impuls: überlege dir

  • Wer tut mir wirklich gut?
  • Mit wem kann ich so sprechen, wie ich bin? Ohne Maske, ohne Stärke vorspielen zu müssen.



Scheue dich nicht, Unterstützung anzunehmen, sei es durch Freund/innen, Familie, Selbsthilfegruppen oder psychosoziale Beratungsstellen. Auch ein kurzer Austausch kann neue Perspektiven eröffnen und das Gefühl geben: Ich muss da nicht allein durch.


Zum Schluss: Resilienz bedeutet nicht Perfektion.

Es geht nicht darum, jederzeit "positiv" zu bleiben oder alles im Griff zu haben. Resilienz heisst auch, Rückschläge zuzulassen, sich Zeit zu nehmen, sich Hilfe zu holen und Pausen einzulegen.


Vielleicht besteht der erste Schritt zu mehr Selbstresilienz genau darin, dir zu erlauben, nicht stark sein zu müssen und dennoch immer wieder Kraft in dir selbst zu entdecken.


"Resilienz ist nicht das Fehlen von Schmerz, sondern die Fähigkeit, im Schmerz Wege zu finden."


Für dein persönliches Resilienz Tagebuch lade dir gerne das Resilienz-Workbook der Insel herunter.

Falls du lieber mit Papier und Stift unterwegs bist hat es auch eine "druckerfreundliche" Variante.

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