Atmen – so selbstverständlich und doch oft verlernt
by Martina Heinz
Wir alle tun es rund 20.000 Mal am Tag – und doch haben viele das richtige Atmen verlernt. Stress, Zeitdruck und Anspannung machen unsere Atmung flach und hektisch. Dabei ist sie das einfachste Werkzeug, um Körper, Geist und Seele wieder in Balance zu bringen.
Dieser kleine „Atem-Workshop“ zeigt dir Schritt für Schritt, wie du in dein natürliches Atemmuster zurückfinden kannst, Stress reduzierst und deine Gesundheit stärkst – unterstützt durch die Kraft der Natur.
Schritt 1: Bewusstsein schaffen – Wie atmest du eigentlich?
Setz dich entspannt hin, lege eine Hand auf den Bauch und beobachte:
- Hebt sich dein Bauch beim Einatmen – oder bleibt er still?
- Fliesst der Atem durch die Nase oder durch den Mund?
- Spürst du die Bewegung tief im Unterbauch – oder bleibt der Atem in der Brust hängen?

Bei der physiologisch gesunden Atmung arbeitet das Zwerchfell (Diaphragma). Beim Einatmen senkt es sich ab, die Bauchdecke wölbt sich nach aussen. Beim Ausatmen steigt es nach oben, der Bauch zieht sich zurück.
Fach-Impuls: Diese „Zwerchfellatmung“ ist die effizienteste Form der Atmung. Sie versorgt die Lunge vollständig mit Sauerstoff, massiert Magen und Darm und unterstützt Verdauung und Stoffwechsel.
Schritt 2: Stress erkennen – wenn der Atem aus dem Takt gerät
Unser Atem ist ein Spiegel unseres inneren Zustands. Bei Anspannung schaltet der Körper in den Sympathikus-Modus („Kampf oder Flucht“). Der Herzschlag und die Atemfrequenz steigen, Muskeln spannen sich an, die Verdauung wird gehemmt.
Typische Folgen können sein: flache Atmung, Kopfschmerzen, Verspannungen, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen.

Tipp: Achte im Alltag auf Signale wie häufiges Seufzen, stockender Atem oder Enge in der Brust. Das können Frühwarnzeichen sein, dass dein Atem (und dein Nervensystem) aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Schritt 3: Nervensystem regulieren – dein Atem als Schalter
Das vegetative Nervensystem hat zwei Hauptakteure:
Der Sympathikus: er aktiviert, macht leistungsbereit und steigert Atem- und Herzfrequenz.
Der Parasympathikus: er beruhigt, fördert Verdauung und Regeneration und verlangsamt den Herzschlag.
Mit jedem Atemzug kannst du bewusst steuern, welcher Teil dominiert. Tiefe, gleichmässige Atemzüge aktivieren den Parasympathikus – dein Körper schaltet in den Regenerationsmodus.

Schritt 4: Praktische Übung – Atmen mit dem Puls
Eine einfache und wirksame Technik ist die Herz-Puls-Kohärenz-Atmung:
1. Finde deinen Puls am Handgelenk.
2. Atme auf 4 Pulsschläge ein.
3. Halte den Atem 4 Schläge.
4. Atme auf 4 Schläge aus.
5. Halte wieder 4 Schläge.
6. Wiederhole es 4–5 Mal.
Passe die Atemlänge (3 oder 5 Schläge) so an, dass es für dich angenehm bleibt.
Fach-Impuls: Regelmässige Atemübungen senken den Cortisolspiegel, erhöhen die Herzfrequenzvariabilität (HRV), halten den Blutzucker stabil und stärken die Resilienz gegen Stress.
Schritt 5: Transfer in den Alltag – Atmen in der Natur
Der Atem entfaltet seine grösste Kraft, wenn wir ihn mit Naturerfahrungen verbinden. Beim Waldbaden atmest du nicht nur frische Luft – du nimmst auch wertvolle Duftstoffe der Pflanzen auf.
Das wirkt zusätzlich:
Farben: Über 800 Grüntöne beruhigen das Nervensystem.
Geräusche: Vogelgesang und Blätterrauschen wirken wie natürliche Klangtherapie.
Frequenzen: Musik bei 432 Hz bis 528 Hz harmonisiert Gehirn und Körper ähnlich wie die Natur.
Schritt 6: Warum Waldbaden so besonders ist – die Kraft der Terpene
Die eigentliche „Waldmedizin“ steckt in der Luft: Terpene – winzige Duftstoffe, die Bäume über Blätter, Nadeln und Harze abgeben.
Für uns Menschen wirken sie:
- entzündungshemmend und schmerzlindernd
- angstlösend und stimmungsaufhellend
- immunsystemstärkend
- entspannend für Muskeln und Nerven
Terpene | Wirkung |
---|---|
a - Pinen Aroma: Kiefer Vorkommen unter anderem: Dill, Basilikum, Rosmarin, Petersilie | Allgemein: Aufmerksamkeitsfördernd, fördert kognitive Funktionen Potenziell: antiseptisch, entzündungshemmend, krebshemmende Eigenschaften, schmerzlindernd, beruhigend, lindern Atemwegsprobleme, reduziert Bakterien und Viren in ihrer Verbreitung |
β Pinen Aroma: Kiefer | Entzündungshemmend, Anxiolytikum, fördert kognitive Funktionen, schmerzlindernd, antidepressiv, krebshemmende Eigenschaften |
Myrcene Aroma: Moschus, Nelken, erdig, Noten von Zitrus- oder Tropenfrüchten Vorkommen unter anderem: Hopfen, Thymian, Zitronengras, Mango | Allgemein: sedierend, entspannend Potenziell: Antioxidans, gegen Muskelkrämpfe, Schlaflosigkeit, Schmerzen, Entzündungshemmend und beruhigende Wirkung, Antibakteriell |
Limone Aroma: Zitrus | Allgemein: Stimmungsaufhellend, stresslindernd Potenziell: Antipilzmittel, antibakteriell, gastroprotektiv, entzündungshemmend, Antidiabetikum, bei Darmproblemen, krebshemmende Eigenschaften, Antidiabetikum, Antioxidans |
Beta-Caryophyllene Aroma: pfeffrig, würzig, hölzern, Nelken Vorkommen unter anderem: Wermut, Zimt, Heliotrop, Basilikum, Salbei | Allgemein: nicht bekannt Potenziell: magenschützend, entzündungshemmend, kann neurologische Schmerzen lindern, antimikrobiell, antibakteriell |
Linalool Aroma: Blumen, Zitrusfrüchte, Süssigkeiten | Allgemein: angsthemmend, sedierend Potenziell: angstlösend, antidepressiv, krampflösend, gegen Akne |
Terpinolen Aroma: Kardamom, Kiefer | Beruhigungsmittel, krebshemmende Eigenschaften, Antioxidativ |
α-Terpinen und γ-Terpinen Aroma: zitrus, würzig Vorkommen unter anderem: Eukalyptus, Zitrusfrüchte, Wachholder, Teebaum, Kardamom, Majoran | Antioxidationsmittel, krebshemmende Eigenschaften Anxiolytikum, Reduzierung von Angstzuständen. |
Praxis-Tipp: Suche dir bewusst Wälder mit Nadelbäumen oder aromatischen Kräutern. Atme tief durch die Nase, halte kurz inne und nimm den Duft wahr. Schon 20 Minuten Waldbaden am Tag senken messbar den Stresshormonspiegel.
Waldbaden und Krebsprävention
Studien zeigen: Schon nach wenigen Tagen im Wald steigt die Aktivität unserer Natural-Killer-Zellen – wichtige Immunzellen, die Krebszellen erkennen und zerstören können – um rund 50 %. Auch die Produktion spezieller Anti-Krebs-Proteine nimmt deutlich zu.
Das bedeutet: Waldbaden senkt nachweislich Stress, stärkt das Immunsystem und wirkt damit präventiv gegen Krebs – auch wenn sich das Risiko selbst nicht in Prozentzahlen ausdrücken lässt.
Fazit
Atmen ist kein Automatismus – es ist ein Werkzeug:
- Zwerchfellatmung unterstützt die Verdauung und den Stoffwechsel.
- Bewusstes Atmen reguliert das Nervensystem.
- Atemübungen stärken Konzentration, Kreativität und Gelassenheit.
- Waldbaden verbindet Atem, Duftstoffe und Natur, stärkt das Immunsystem und wirkt präventiv gegen Krankheiten, sogar gegen Krebs.
Dein Atem ist dein Schlüssel zu Gesundheit, Ruhe und Resilienz.
Und er steht dir jederzeit kostenlos zur Verfügung. Nutze ihn.
Herzlichst
Martina Heinz